Nachhaltiger Tourismus
Der Tourismus ist einer der größten Wirtschaftszweige und Einnahmequellen für zahlreiche Länder. Doch immer mehr Tourismusregionen nehmen Veränderungen im Klima und ihrer Landschaft war. Das stellt den Tourismus der Zukunft vor neue Herausforderungen.
Projekt: Benchmarkanalyse
Jahr: 2013
2013 wollten wir wissen, ob und wie sich Tourismusregionen auf die klimatischen Veränderungen einstellen und die Idee eines "nachhaltigen Tourismus" umsetzen.
Dazu skizzierten wir den Markt für nachhaltigen Tourismus mit einer IST-Analyse und führten Experten-Interviews durch.
Benchmark SCHOTTLAND
Am 25. April 2013 trafen wir uns in Edinburgh mit Janie Neumann, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der nationalen Tourismusorganisation VisitScotland.
Wir wollten mehr über die Nachhaltigkeitsoffensive im schottischen Tourismus erfahren. Sie berichtete uns über das bereits im Jahr 1993
entwickelte Green Tourism Business Scheme (GTBS) - ein weltweit führendes Zertifizierungsprogramm für Nachhaltigkeit, das entwickelt wurde, um umweltfreundlicheren
Tourismus zu fördern.
Ursprünglich war Schottland von einem riesigen Urwald bedeckt. Steinzeitliche Siedler begannen mit der Rodung der Wälder.
Bäume wurden gefällt, um der Kohle- und Eisengewinnung zu dienen. Der Schiffsbau der Engländer führte schließlich zu der kargen Hochmoorlandschaft
der schottischen Highlands. Schottland scheint aus seiner Vergangenheit gelernt zu haben. Denn heute gehört das Land zu einem der Vorreiter des nachhaltigen Tourismus.
Das Green Tourism Business Scheme beurteilt Unternehmen auf Grundlage von bis zu 60 Einzelkriterien
in Bezug auf ihr Umweltbewusstsein und ihre Nachhaltigkeit. Jeder teilnehmende Tourismusbetrieb, der seinen Energieverbrauch senkt, lokale
Produkte für die Speisenzubereitung verwendet und nahe gelegene, mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbare Ausflugsziele bewirbt, erhält nach einer
unabhängigen Prüfung die GTBS-Plakette in Bronze, Silber oder Gold.
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Benchmark SCHWEIZ
Schweizer Tourismusregionen stellen bereits gravierende Veränderungen in ihrer Umwelt fest: braunes Gras statt Pulverschnee, schwindende
Gletscher und tauender Permafrost. Der Alpenraum ist der Klimaerwärmung im besonderen Maße ausgesetzt.
Der Tourismus ist noch immer einer der größten Wirtschaftszweige in der Schweiz, gleichzeitig weisen aber zahlreiche
Berichte und Studien
auf die langsam auftretenden Veränderungen und damit verbundenen Herausforderungen in der Zukunft des alpinen Tourismus hin.
"Heute wird ein Drittel der landesweit rund 8000 Kilometer Skipisten mit hohem Energie- und Wasseraufwand künstlich beschneit. [...] Rund die Hälfte der in der Schweiz
zurückgelegten Wegstrecken entfällt auf den Freizeit- und Tourismusverkehr, bei dem das Auto mit knapp 70 Prozent das dominierende Verkehrsmittel darstellt.
Der Wasser- und Energieverbrauch sowie die Abfallmengen nehmen stetig zu. [..]" 1
Die Regierung unterstützt daher die Entwicklung nachhaltiger
Produkte und Angebote und fördert die Sensibilisierung der gesamten Tourismusbranche und der breiten Bevölkerung
durch eine klare Positionierung und gezieltem Marketing zum Thema Nachhaltigkeit.
26 Organisationen, die Spitzen der touristischen Verbände, alle Tourismusregionen und
die Schweizerische Bundesbahn SBB unterschrieben im Mai 2009 eine
Nachhaltigkeits-Charta, in der sie sich zu konkreten Aktivitäten im Sinne eines nachhaltigeren Tourismus verpflichteten.
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Das Nachfragepotenzial
Tourismusregionen können mit speziellen ökologisch und sozial verträglichen Angeboten Touristen gezielt ansprechen und sich damit von den Wettbewerbern absetzen. Doch besteht seitens der Verbraucher überhaupt eine Nachfrage nach nachhaltigen touristischen Angeboten?
Das maximale Nachfragepotenzial für nachhaltigkeitsorientierte Reisebausteine in Deutschland belief sich 2010 auf rund 33 Millionen Personen.
Laut einer Studie des Tourismusbarometers 2010 sind diese je nach Zielgruppe bereit, für eine nachhaltige Reise zwischen zehn und 20 Euro pro Tag mehr
auszugeben.
Der Hintergrund: immer mehr Menschen wird bewusst, dass gerade Massentourismus und die steigende Anzahl an Flugreisen zum Anstieg der Treibhausgaskonzentration
in der Atmosphäre und damit zur Klimaveränderung führen. Dabei fallen insbesondere die Treibhausgase ins Gewicht. Wäre der Tourismus ein Land, würde er damit bezüglich
CO2-Emissionen weltweit auf Rang 5 liegen - hinter den USA, China, der EU und Russland.2
Bundeswettbewerb Nachhaltige Tourismusregionen
Vorreiter wie die Schweiz zeigen, dass sich eine nachhaltige Ausrichtung vor allem für ländliche Regionen nicht nur ökologisch,
sondern auch wirtschaftlich lohnen kann. Auch in Deutschland gewinnt das Thema Nachhaltigkeit einen immer größeren Stellenwert. Das zeigt der
Bundeswettbewerb für nachhaltige Tourismusregionen in Deutschland - erstmalig initiiert 2012/ 2013, organisiert durch das Bundesumweltministerium und dem Deutschen Tourismusverband.
Von diesem Wettbewerb soll eine Vorbildwirkung für andere Regionen ausgehen und Wege aufgezeigt werden, die Qualität des Inlandtourismus
weiter zu verbessern, um auch künftig am Markt bestehen zu können.
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Nachhaltigkeitspotenzial 1: Die An- und Abreise an das Reiseziel
Die einfachste Lösung für eine umweltschonende Reise ist es, auf den Flug in ferne Länder zu verzichten und dafür Urlaub in Deutschland zu machen.
Doch auch Urlaub innerhalb des Landes ist nicht per se umweltbewusst. Auf Kurzreisen innerhalb Deutschlands nutzen die meisten Touristen ihr eigenes Auto,
um an den Urlaubsort zu gelangen.
Begünstigt wir dies dadurch, dass viele entlegene Regionen durch die Schiene nicht (mehr) erschlossen sind und das Busnetz in der Fläche zumeist nicht genug ausgebaut ist.
Dafür gibt es allerdings bereits Lösungen, wie sie der Verkehrsclub Deutschland (VCD)
zur autofreien Anreise anbietet. So ist z.B. die Verbindung von Bahn- und Busverkehr oder die Flexibilisierung bei der Nutzung von Fahrzeugen
(z.B. Carsharing) eine denkbare Lösung.
Nachhaltigkeitspotenzial 2: Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten
Vom nachhaltigen Tourismus können besonders abgelegene und strukturschwache Tourismusregionen profitieren.
Sie haben meist besonders mit den Auswirkungen des demografischen Wandels und einer schwierigen Erreichbarkeit zu kämpfen.
In der Folge wandern Unternehmen und damit auch die jüngere Bevölkerung ab. Damit sinken auch die Möglichkeiten der lokalen Wertschöpfung und die Kaufkraft.
Nachhaltiger Tourismus kann dem entgegenwirken, wenn regionale Wertschöpfungsketten (wieder) aufgebaut und gestärkt werden.
Ein Beispiel dafür ist die Direktvermarktung von regionalen Produkten. Touristen werden direkt mit ökologisch produzierten Produkten und deren Erzeugern in Kontakt gebracht.
Die verstärkte Bewerbung der regionalen Produkte durch Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe könnte zu einer zusätzlichen Nachfrage führen, die den einheimischen,
produzierenden Unternehmen sowie den touristischen Unternehmen zu Gute kommt.
Nachhaltigkeitspotenzial 3: Energieeinsparung und Ressourcenschonung
Auch die touristischen Dienstleister vor Ort, wie Hotels, Freizeitparks und gastronomische Betriebe tragen entscheidend dazu bei,
wie wenig oder stark die Umwelt durch den Tourismus belastet wird. Die Lösung dafür ist eine ressourcenschonende und energieeffiziente
Beherbergung. Hotels und Unterkünfte, aber auch Freizeitparks könnten z.B. ihre zumeist großen Gebäudeoberflächen und Grundflächen für den
Einsatz von erneuerbaren Energien nutzen.
Angesichts des über das ganze Jahr hinweg hohen Wärme- und Kühlungsbedarfs sind auch "Eisheizungen"
anstelle konventioneller Heizungsanlagen für viele Hotels eine wirtschaftliche Option. 2012 berichteten wir in unserem Blog bereits über die Möglichkeit
der Beheizung von Hotels mit Eis. Da besonders im Gaststätten- und Hotelgewerbe viel gekühlt wird, kann die im Sommer gespeicherte Kälte aus dem Eisspeicher
dazu genutzt werden, Räume zu klimatisieren.
Die Kommunikation über die Nachhaltigkeit
Die Gäste, die für ein nachhaltiges Reiseangebot einen Aufpreis zahlen würden, erwarten einen nachvollziehbaren Mehrwert. Wichtig ist,
dass die Reisenden erkennen, wann sie nachhaltig – also ökologisch, ökonomisch und sozial verträglich – reisen. Somit ist auch die Kommunikation
über die Nachhaltigkeit entscheidend für den Erfolg einer nachhaltigen Initiative im Tourismus unter Einbezug der Touristen.
Dabei wird die Kommunikation einer Tourismusregion nicht nur von potenziellen Touristen, sondern auch von den Menschen, den ansässigen Unternehmen und
touristischen Partnern innerhalb der Region wahrgenommen. Unternehmen wählen z.B. zumeist Standorte, die aus Sicht ihrer Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter als Wohn- und Lebensort attraktiv sind. Darüber hinaus wirkt die Förderung des Tourismus und mit ihr verknüpft die Steigerung der
allgemeinen Lebensqualität den Auswirkungen des demografischen Wandels entgegen.
Quellennachweis:
1 Der Schweizer Tourismus
im Klimawandel, Auswirkungen und Anpassungsoptionen,07/2011
2 Sparkassen-Tourismusbarometer Deutschland 2011